Was kann das neue Netz?

5g Ausbau in Deutschland
Foto: alan9187, Pixabay.

Der 5G-Ausbau kommt. So viel ist sicher. Heute schon ist 5G in Deutschland in Berlin, München, Köln, Bonn oder Darmstadt verfügbar. Die Verheißungen, was uns der 5G-Ausbau in Deutschland bringen wird, sind phänomenal: Autonomes Fahren, Künstliche Intelligenz, fühlende Roboter. — Doch ob sich das neue Netz tatsächlich je flächendeckend durchsetzen wird, ist noch gar nicht klar. – Haben uns die Mobilfunk-Konzerne zu viel versprochen? Und welche Vorteile bringt der 5G-Ausbau eigentlich für uns Nutzerinnen und Nutzer?

Revo­lution 5G-Ausbau

5G-Ausbau bedeutet viel mehr als nur schneller Handy-Empfang. Die neue Mobilfunk-Generation wird unser Leben revolutionieren. – So lauten zumindest die Zukunftsaussichten des Mobilfunkanbieters Vodafone: Autonomes Fahren, Virtuelle Realität, selbstlernende Maschinen, medizinischer Fortschritt oder sogar Künstliche Intelligenz. Alles dank des neuen 5G-Netzes.

Mit 5G startet das Zeitalter des taktilen Internets. Mobilfunk wird so bereit für die Fernsteuerung von Robotern. Dank extrem kurzer Latenzzeiten und robuster Verbindungen können wir Fabrik-Roboter, Autos oder Baumaschinen so koordinieren, dass sie Menschen sicher und effizient bei der Arbeit und im Alltag unterstützen.

Prof. Gerhard Fettweis, Vodafone Institut für Gesellschaft und Kommunikation

Science Fiction zum Flat-Rate-Tarif? Selbst IT-ferne Dienstleistungsbranchen wie zum Beispiel die Pflege sollen laut Vodafone durch den 5G-Ausbau revolutioniert werden:

Fast 2,9 Millionen Menschen in Deutschland sind pflegebedürftig. Der Deutsche Pflegerat prognostiziert, dass bis zum Jahr 2030 etwa 300.000 Pflegekräfte fehlen werden. Wenn Roboter mit dem Menschen interagieren, können sie zum Freund und Helfer werden. Sie können Tätigkeiten erlernen und Menschen im Alltag unterstützen. Im Haushalt können sie dem Menschen Getränke reichen, die Spülmaschine starten oder die Haustüre auf- und abschließen.

Tobias Krzossa, Pressesprecher Vodafone

Dass Vodafone mit diesen Heilsversprechen große Visionen in den 5G-Ausbau setzt, ist verständlich. Immerhin hat der Konzern satte 1,8 Milliarden Euro in die 5G-Lizenzen für Deutschland investiert, die es nun zu vermarkten gilt. Doch bislang ist der Nutzen des geplanten 5G-Ausbaus vor allem eines: Zukunftsmusik.

5G in Deutschland: Superschnell, aber superteuer

Die Versteigerung der 5G-Netz-Frequenzen im Juni 2019 brachte dem Bund 6,55 Milliarden ein. Viel mehr als ursprünglich erwartet. Das könnte dazu führen, dass die Mobil-Konzerne sich den geplanten Ausbau des 5G-Netzes gar nicht so bald leisten können.

In einem Positionspapier von Telefónica an die Bundesnetzagentur rechnet der Mobilfunkanbieter vor, dass der Konzern für eine flächendeckende 5G-Ausbau über 200.000 Mobilfunkstandorte in Deutschland betreiben und rund 76 Milliarden Euro investieren müsste. Unmöglich.

Die Kosten, die auf die Netzbetreiber mit dem geplanten 5G-Ausbau in Deutschland zukommen, haben vor allem mit den technischen Anforderungen des neuen Sende-Standards zu tun. Denn bis unsere Handys wirklich wie die schnellste Maus von Mexiko durch den Daten-Dschungel rasen, ist mehr vonnöten als ein paar Software-Updates. Es müssen neue Sendeanlagen her. Und zwar eine ganze Menge.

5G-Netz: Rohrkrepierer Milli­meter­welle

5g in Deutschland Ausbau
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Aktuelle Funkmasten haben eine Reichweite von bis zu 20 Kilometern. Die versteigerten 5G-Netz-Frequenzen bewegen sich vielfach schneller als im bisherigen Sendestandard. Damit sinkt auch ihre Reichweite. Erheblich. Sie liegt nur zwischn 40 und 400 Metern. Will man wirklich superschnelle Datengeschwindigkeiten erreichen von Frequenzen bis zu 30 Ghz, geht dem Signal schon nach wenigen Metern die Puste aus. 5G ist so anfällig, dass es noch nicht einmal eine Glasscheibe durchdringt, geschweige denn eine Häuserwand. – Der Präsident des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche, Achim Berg, brachte es auf den Punkt:

Mit 5G lässt sich wirtschaftlich keine Flächendeckung herstellen. Im Durchschnitt müsste jeden Kilometer ein Sendemast aufgebaut, mit Glasfaser angeschlossen und mit Strom versorgt werden. Wir müssten einmal ganz Deutschland aufgraben, um die geforderte Flächendeckung herzustellen. Das ist schlicht nicht machbar und geht an den Realitäten des Mobilfunks vorbei.

Achim Berg, Präsident Bitcom

Bitcom-Chef Berg geht von rund 800.000 Sendemasten aus, die für den 5G-Ausbau in Deutschland neu errichtet und mit Glasfaser verkabelt werden müssen. Da sich die nicht von heute auf morgen aus dem Ärmel schütteln lassen, muss zunächst die bisherige 3G-Infrastruktur (UMTS) dran glauben. Bis Ende 2020 wird 3G zugunsten der neuen Technik verschwinden.

Die meisten von uns nutzen bereits 4G und werden davon vielleicht nichts merken. Doch einem Bericht der Bundesnetzagentur folgend betrifft das Ende von 3G in Deutschland immerhin 57 Millionen Handy Kundinnen und Kunden. Denn vor allem viele günstigen Discounter-Verträge können heute noch gar nicht auf 4G (LTE) ausweichen. Nach den Zahlen des Verbandes der Telekommunikations- und Mehrwertdienstleistern ist davon auszugehen, dass durch den 5G-Ausbau 80 Millionen Geräte auf dem Schrott landen werden.

Auch im Energieverbrauch macht der 5G-Ausbau keine Öko-Schnitte: Zhengmao Li, Vize-Präsident von China Mobil, dem größten Mobil-Anbieter der Welt bestätigte, dass sich mit der Umstellung auf die neuen Übertragungsraten in China der Energiebedarf für das Funknetz mindestens verdreifacht habe.

Das 5G-Netz im Test

Joanna Stern vom Wallstreet Journal testete im Sommer 2019 mit einem Samsung Galaxy S10 5G die 5G-Verfügbarkeit im Highspeed-Netz der USA, das — ähnlich wie 5g in Deutschland — bereits erst in wenigen größeren Städten im Test-Betrieb ist. Ihr Versuch bestätigte die miesen Reichweiten in der Praxis. Zwar gelang der Download der kompletten letzten Staffel „Stranger Things“ der Journalistin in nur 34 Sekunden, die hohen Geschwindigkeiten konnten sie aber immer nur in direkter Nähe zum Sendemast erreicht. Und das nur bei gutem Wetter. Weder in Innenräumen noch in einigen Dutzend Metern Entfernung klappte es mit der 5G-Abdeckung.

Das größte Problem beim Praxistest war allerdings die Hitze-Entwicklung. Die Testgeräte mussten mehrfach mit Eis gekühlt werden, da sie sich sonst rasch wieder ins 4G Netz einwählten. – Eine Sicherheitsmaßnahme, wie der Journalistin von Samsung bestätigt wurde, damit das Gerät keinen Schaden nimmt. – Man arbeite daran.

Ihr ernüchterndes Fazit nach den ersten 5G Erfahrungen war jedenfalls: „5G ist zwar irre schnell, aber heißer Scheiß.

5G-Verfügbarkeit für alle!

5G in Deutschlan ist ein Politikum. In allen Wahlprogrammen der Bundestagswahl 2017 spielte dieses Thema ein Rolle und wird es wohl auch in Zukunft tun. Bekanntlich liegt die Qualität des Deutschen Netzes im internationalen Vergleich auf den letzten Plätzen und gefährdet damit auch unseren Wirtschaftsstandort. Die Angst vor dem digitalen Abgehängtwerden ist daher groß. Tatsächlich muss sich die Heimat von Heinrich Hertz in puncto Funkfreundlichkeit geschlagen geben von Ländern wie Albanien, Pakistan oder Kambodscha. Unser Netz ist ungefähr so gut wie das Kolumbiens.

Deutschlands Mobilfunk-Wüste ist leider nicht nur peinlich schlecht in Sachen Empfang. Wir zahlen dafür auch noch am meisten. Ein Gigabyte Datenvolumen kostet hierzulande rund 6,14 Euro. In Schweden ist es die Hälfte, nämlich 3,23 Euro. In Frankreich 1,64 Euro, in Finnland 1,02 Euro; in Polen ist dieser Datensatz für weniger als 12 Cent zu haben.

Der Grund für diese katastrophale Bilanz: Zu Beginn der Mobilfunk-Ära strengte der damalige Postminister Christian Schwarz-Schilling mächtige Investitionen in Kupferkabel anstatt in das damals schon zukunftsweisende Glasfaser-Netz. Warum? Er war schlichtweg Miteigentümer einer Kupfer-Kabel-Firma. So einfach sind manchmal die Zusammenhänge. — Ein „Festival der Lobbyisten“ nannte der Spiegel den Beginn unserer Mobilfunkgeschichte schon damals, als Handys noch so groß waren wie Schuhkartons.

Der laufende 5G-Ausbau ist hier keine Hilfe. Dafür reicht die Sendeleistung der kurzen Wellen überhaupt nicht aus; es sei denn, wir wollen an jede Straßenlaterne einen Mobilfunkmast dübeln. – Hier ist der 4G-Standard mit seinen deutlich stabileren Reichweiten und einer besseren Durchdringung viel geeigneter, um flächendeckend Strecke zu machen.

Dass für das immer wieder ins Rennen geworfene autonome Fahren übrgens ein vollständiger 5G-Ausbau benötigt wird, ist ein urbaner Mythos. Die EU Kommission hat sich bereits im Mai 2018 darauf geeinigt, dass für die Auto-zu-Auto-Kommunikation stinknormales, bereits heute verfügbares Wi-Fi von maximal 2,4 Ghz eingesetzt werden soll. Eine Netzabhängigeit solcher selbstfahrenden Systeme ist auch nicht im Sinn der Auto-Industrie. – Wer will sein Roboter-Auto schon von Funkloch zu Funkloch schieben?

Auch bei den meisten industriellen und agrarwirtschaftlichen Anwendungsfeldern, geschweige denn, um mir von einem Androiden „Getränke reichen, die Spülmaschine starten oder die Haustüre auf- und abschließen“ zu lassen, wie es Vodafone bewirbt, ist ein 5G-Ausbau vonnöten.

So bleibt 5G-Verfügbarkeit wohl zunächst eines: Ein Lifestyle-Produkt der Kommunikations- und Unterhaltungs-Industrie. Mobilfunk-Luxus, auf den ich zumindest noch sehr gut verzichten kann. Auf ein flächendeckendes Mobilfunk-Netz allerdings nicht. Doch dies sind leider zwei paar Schuhe.

Ebenfalls zum Thema 5G weiterlesen: Wie gefährlich ist 5G? // Mikro­wellen-Massaker, Strahlen-Tsunami und 5G-Apo­kalypse …

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Sebastian Brüning

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