Wie gefährlich ist 5G?
Mikrowellen-Massaker, Strahlenwaffe und 5G-Apokalypse
Wie gefährlich ist 5G? Die Frage scheint unter Skeptikern längst geklärt. Allein die Protest-Plattform Open Petition verzeichnet im deutschsprachigen Raum rund hundert Aktionen gegen die drohende 5G-Gefahr. In Brüssel und Genf wurde der Ausbau des Mobilfunk-Netzes wegen starker Proteste bereits gestoppt. Von „Strahlen-Tsunamie“ und „elektromagnetischem Völkermord“ ist die Rede. 5G sei nachweislich eine Gefahr für Mensch und Tier und stehe sogar – so einige Theorien – in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.
Sind solche Bedenken berechtigt? Ist 5G gefährlich? Und wenn ja, worin genau besteht die 5G-Gefahr eigentlich und wie kann man sich davor schützen?
Die 5G-Gefahr und tote Vögel als Beweis
Ende 2018 machten Meldungen im Zusammenhang mit gefährlichen 5G-Experimenten die Runde. Im Huygenspark in Den Haag sollen Vögel nach Reichweiten-Tests im 5G-Standard reihenweise tot vom Himmel gefallen sein. Waren die Tiere die ersten Opfer einer tötlichen 5G-Gefahr, wie der Artikel „Hunderte Vögel sterben während eines 5G-Experiments!“ des Esoterik-Magazins „Connectiv Events“ nahelegt.
Die Tiere starben alle an Herzversagen, obwohl sie körperlich gesund waren. Es gab keine Anzeichen für eine Erkrankung, keinen Virus, keine bakterielle Infektion, gesundes Blut, keinen Hinweis auf Vergiftung usw. Die einzig vernünftige Erklärung, die übrig bleibt, war die Einwirkung von Mikrowellen. – Die Mikrowellentechnik, die dem Mobilfunk zugrunde liegt, wurde ursprünglich als Waffentechnik zu Kriegszwecken entwickelt. Nun tritt immer mehr ins öffentliche Bewusstsein, dass bereits geringste Dosen zu irreversiblen Langzeitschäden führen können. – Wie kann es sein, dass dieses 5G bisher entwickelt wurde, überall eingesetzt werden soll und dass solch wichtige Fakten nicht an die Öffentlichkeit kommen?
Connectiv-Events, Esoterik-Plattform über die 5G-Gefahr
Die Antwort ist sehr einfach: Weil diese Meldung schlichtweg falsch ist. – Dennoch wird sie regelmäßig von Verschwörungstheoretikern zitiert, um darzulegen, wie gefährlich 5G-Strahlung vermeintlich sei.
Zwar sind in einem Zeitraum von zwei Wochen tatsächlich mehrere Vögel im Huygens-Park gestorben, die Ursache steht jedoch fest. Untersuchungen der Universität von Wageningen ermittelten: Alle untersuchten Vögel starben an giftigen Bestandteilen der Eibebeere. Gefährliche 5G-Versuche fanden keine statt. Eine 5G-Gefahr für die Tiere konnte nicht nachgewiesen werden. – Fake News.
Ein Klassiker dieser Verschwörungs-Theorien ist inzwischen Sasha Stones Youtube-Reportage 5G-Apokalypse. Das Ausrottungsereignis. Ein viraler Hit. Stone behauptet sogar, dass der Nutzen der gefährlichen 5G Technik nur ein Vorwand sei. Eigentlich diene das 5G-Netz als Strahlenwaffe gegen die eigene Bevölkerung. Dies reiche vom gezieltem Beschuss einzelner Personen mit sehr geringer Dosis bis hin zur Abwehr oder gar Tötung ganzer Menschenmassen. 5G als Strahlenwaffe. – Ist so etwas möglich?
Der mit 16 Buchpublikatonen und über 2000 Blog-Beiträgen sehr aktive Wunder-Prediger Jahn J Kassl wüsste sicherlich die Antwort:
Mit der 5G-Gefahr erfüllt sich die Johannes Offenbarung. 5G bedeutet Dezimierung der Weltbevölkerung. Und die 5G-Technologie ist ein großer Schritt dahin. Die Installierung von Millionen neuen Sendeanlagen in unseren Städten und Dörfern bedeutet, dass wir Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr, unter Bestrahlung stehen und gegrillt werden. 5G ist gefährlicher, als den Kopf in die Mikrowelle zu stecken.
Jahn J Kassel, Lichtweltverlag
Ist 5G gefährlich für die Gesundheit?
Ob Verschwörungen über die drohenden 5G-Gefahren real sind, ist definitionsgemäß schwer zu prüfen. Die Frage aber, inwiefern uns elektromagnetische Strahlung tatsächlich krank machen kann, ist inzwischen bestens erforscht. Soviel vorneweg: Als tötliche Strahlenwaffe eignet sich 5G nicht.
2011 wertete die Weltgesundheitsorganisation alle vorliegenden Studien aus, die gesundheitliche Gefahren des Mobilfunks zum Inhalt hatten. Da mögliche Schäden durch das Telefonieren besonders stark im Kopf-Bereich zu vermuten sind, nahm man besonders die Entstehung von Hirntumoren unter die Lupe. Die Interphone-Studie war die bislang größte zu dieser Fragestellung. Es nahmen 12.000 Personen in 13 Ländern Teil. Die Untersuchung kostete 20 Millionen Euro und wird heute noch gern zitiert. Wegen der zunächst kontroversen Ergebnisse am liebsten von 5G-Gegnern.
Das offizielle Ergebnis war allerdings zunächst beruhigend.
In den epidemiologischen Fall-Kontroll-Studien, die in der Interphone-Studie zusammengefasst wurden, wurden 2.708 Patienten mit einem Gliom und 2.409 Patienten mit einem Meningeom sowie jeweils angepasste Kontrollpersonen berücksichtigt. Die Auswertung aller Daten zeigte kein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Hirntumors aufgrund der Nutzung eines Handys. Bei einzelnen Untergruppen war das Risiko sogar erniedrigt. Auch für Langzeitnutzer, bei denen der Beginn der Handynutzung mehr als zehn Jahre zurücklag, zeigte sich kein erhöhtes Risiko für einen der beiden Hirntumoren.
Bundesamt für Strahlenschutz
Die Studie lieferte keinen Beweis für die Gefährlichkeit von Mobilfunk. Ist damit auch die 5G-Gefahr ein Hirngespinnst?
Wie so oft ist die Wahrhet kompliziert. Ein mysteriöses Teilergebnis aus einer schwedischen Untersuchung wollte nicht zu den anderen Ergebnissen passen. Es wies einen möglichen Zusammenhang zwischen einer langjährigen und intensiven Handy-Nutzung und zwei seltenen Gehirntumor-Arten nach:
Bei Nutzern von Mobiltelefonen, bei denen sich aus den Befragungen eine Gesamtnutzungsdauer von mehr als 1.640 Stunden abschätzen ließ, wurde sowohl für Gliome als auch für Akustikusneurinome ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko errechnet.
Bundesamt für Strahlenschutz
Nach heftigen Diskussionen innerhalb der Forschungsgruppe listete man die Handy-Nutzung wegen dieses einzigen Ausreißers in die Gefahren-Kategorie 2B. „Möglicherweise krebserregend“ lautet bis heute die Beurteilung.
Seither beläuft sich das Krebs-Risiko des Mobilfunks auf dem gleichen Gefahren-Niveau wie Aloe-Vera-Oil, eingelegtes Gemüse oder regelmäßiges Staub-Wischen. Sie ist nach derzeitiger Forschungslage nachweislich unbedenklicher als der regelmäßige Genuss von heißem Mate-Tee, Rohem Schinken oder offenem Kaminfeuer.
Tatsächlich machte das Nationale Krebs Forschungscenter der USA 2012 sogar eine ergänzende Untersuchung, um die schwedischen Ergebnisse vom Zusammenhang zwischen Gehirntumoren und Handy-Nutzung zu erhärten und weiter zu erforschen. Doch das gelang dem siebenköpfigen Expertenteam nicht. Tatsächlich wiesen die Nachforschungen logische Ungereimtheiten nach.
Das erhöhtes Risiko für Gliome im Zusammenhang mit Mobilfunkstrahlung, das von einer schwedischen Studie festgestellt und als Basis für die Risiko-Bewertung zugrundegelegt wurde, stimmt nicht mit Beobachtungs-Ergebnissen überein, die für die US-Bevölkerung gemacht werden konnten. […] Keine überzeugenden Daten deuten darauf hin, dass eine Mikrowellenexposition das Risiko für irgendeine Art von Krebs erhöhen oder die Rate der somatischen oder keimzellulären Mutationen erhöhen kann.
Studie des Nationalen Krebsforschungs-Zentrums USA
Bisher konnte in keinem einzigen Labor- oder Tierversuch weltweit die Entstehung von Krebs durch elektromagnetische Strahlung nachgewiesen werden. Da wir nunmehr seit mehr als 20 Jahren ein Großteil der Weltbevölkerung Handys regelmäßig nutzten, sollten sich ohnehin längst statistische Effekte bezüglich einer Gefährdung gezeigt haben. Das haben sie allerdings nicht.
5G-Gefahr: Wenn es warm wird im Hirn
5G-Skeptiker sind hartnäckig. Gern wird eingeworfen, dass alle bisherigen Unterschungen gegenstandslos sind, wenn es um die Beurteilung der 5G-Gefahr geht. Da der neue 5G-Standard in einem anderen Wellenbereich angesiedelt, und daher mit herkömmlichem Mobilfunk nicht vergleichbar sei. Außerdem wird eingeworfen: Die bisherige Forschung stand meist im Zusammenhang mit der Belastung beim Telefonieren. Wie sieht es aber mit einer direkten Gefährdung durch die Signale der Sendeanlagen aus? Steckt hier die 5G-Gefahr? Warum gibt es bislang noch keine Untersuchungen hierzu?
Der Grund ist einleuchtend: Mehr als neunzig Prozent der Strahlenemission erreicht uns gar nicht von der Antenne, sondern direkt von unserem Handy.
Die elektromagnetische Strahlung nimmt mit ihrer Entfernung exponentell ab. Daher ist auch die Strahlenemission der Sendeanlagen für uns sehr viel geringer als jene Strahlung, die wir uns mit unserem Handy im Zentimeterabstand auf die Schläfenlappen bügeln. – Im Gegenteil: Die Zunahme an Sendemasten verringert die Strahlenbelastung. Je näher man an der Antenne telefoniert, desto weniger Emissionen ist man ausgesetzt, da das Handy weniger stark senden muss. Das gilt auch für 5G.
Außerdem haben die neuen 5G-Frequenzen durch ihre extrem kurzen Wellen eine geringere Eindring-Tiefe in das Körper-Gewebe. Die Strahlenbelastung für den Körper verringert sich folglich mit 5G.
Elektromagnetische Felder im Megahertz-Bereich, wie sie für den Rundfunk verwendet werden, haben Eindringtiefen von 10 bis etwa 30 Zentimetern. Beim Mobilfunk mit rund tausendmal höheren Frequenzen um 1 Gigahertz dringt die Strahlung dagegen nur wenige Zentimeter tief in das Gewebe ein. Bei Frequenzen über 10 Gigahertz, beträgt die Eindringtiefe weniger als 1 Millimeter. Bei noch höheren Frequenzen wirken hochfrequente Felder nur noch an der Hautoberfläche.
Bundesamt für Strahlenschutz
Feindbild 5G-Gefahr
Bislang sind alle Hinweise, dass 5G gefährlich sei, unhaltbar. Wer sich dennoch den Verstrahlungsrebellen und 5G-Gefahren-Esoterikern anschließen will, trägt die Beweislast.
Besonders gefährlich wird es dort, wo die falschen 5G-Theorien genutzt werden, um politisch Stimmung zu machen oder Gewalt zu schüren. So hat sich im Zuge der Verschwörungs-Geschichten rund um die Corona-Krise auch die Auseinandersetzung um 5G verschärft.
Extreme Gruppen fordern mittlerweile sogar dazu auf „gefährliche Funkanlagen abzufackeln“, um gegen eine „vernetzte, smarte und vollständig kontrollierbare Welt“ vorzugehen. Tatsächlich wurde im Vereinigten Königreich jüngst fast täglich Brandstiftungen an Mobilfunkmasten gemeldet. Auch in den Niederlanden, Frankreich, Italien wurden Antennen-Anlagen in Brand gesetzt. In den vergangenen Monaten ebenso in München und Bonn. Bei fast allen zerstörten Antennen, handelte es sich gar nicht um die noch sehr raren 5G-Masten. Selbst Signalanlagen der Bahn waren betroffen.
Wenngleich solche Anschläge angeblich stattfinden, um sich gegen die vermeintliche 5G-Gefahr zur Wehr zu setzen: Sie sind nicht nur unbegründet und sinnlos, sondern haben oft den gegenteiligen Effekt. Sie gefährden die Allgemeinheit. So wurde durch den Vandalismus an einem Funkmastes in Birmingham kürzlich auch die Kommunikation eines nahegelegenen Krankenhauses gestört. Da die Brandanschläge teils in Wohngebieten stattfinden, ist hier selbstverständlich immer wieder auch die Gesundheit oder gar das Leben von Anwohnern gefährdet.
500 Tote und die wahre 5G-Gefahr
Wir lieben die Angst. Wir lieben die Verschwörung. Vielleicht allerdings liegen die wahren 5G-Gefahren ganz woanders? Sie sind profan.
Übermäßige Handy-Nutzung – egal, ob 5G oder nicht – führt nachweislich zu Schlafproblemen, Konzentrationsstörungen, Haltungsschäden. Handy-Nutzung steht im Verdacht, Depressionen auzulösen und führt zu einer Zunahme an Unfällen. Belegbar und faktensicher.
Kam es früher zu Unfällen mit Fußgängern, waren die Betroffenen Kinder, Menschen, die Alkohol oder Drogen zu sich genommen hatten, oder ältere Menschen. Neu ist die große Zahl an Handy-Nutzern, die in den letzten Jahren hinzugekommen ist. Sie laufen gegen Wände, stürzen Treppen herab, stolpern über Hindernisse am Boden oder tun vom Bürgersteig aus einen unbedachten Schritt in den Verkehr.
Prof. Dietrich Jehle, Notfallmedizin, Universität Buffalo
Fakt ist: Jedes Jahr landen allein in Deutschland 25.000 Menschen durch Handy-Nutzung im Krankenhaus. 500 überleben dies nicht oder sterben auf offener Straße. Und zwar vor allem wegen Ablenkung durch Handys im Straßenverkehr. Der Blick auf das Smartpone ist mittlerweile noch vor zu schnellem Fahren und Alkohol am Steuer Unfall-Ursache Nummer eins.
Der neue Mobilfunkstandard ist längst zu einem Mythos geworden. Die Verschwörungsgeschichte von der 5G-Gefahr ist ein Kristallisationspunkt von falschen Vorbehalten, Halbwahrheiten und Lügengeschichten. Eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema wird so nahezu unmöglich gemacht. Wenn es wirklich eine 5G-Gefahr gibt, dann ist es wahrscheinlich genau diese.
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